So baust du dir eine starke Community auf

Meine Gesprächspartnerin: Community-Management-Expertin Denise Henkel

 
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Wie bist du Expertin für Community Management geworden?

Durch eine Mischung aus Neugier und Erfindergeist.

Für Community Management gibt es nur wenig allgemein gültige Regeln. Damals vor 10 Jahren noch wesentlich weniger als heute.

Dass meine Communities so aktiv und konstruktiv waren, lag hauptsächlich daran, dass ich mich selbst als Mitglied betrachtete. Ich war neugierig, wollte meine Mitglieder kennenlernen und war ebenso bereit, mich selbst zu offenbaren. So gewann ich das Vertrauen und den Respekt der Mitglieder.

Später verlagerte sich meine Tätigkeit zunehmend aus der Community heraus in den Austausch mit Auftraggebern und Kollegen aus anderen Abteilungen. Hier wurde ich ins kalte Wasser geworfen. Als ich zum ersten Mal eine Strategie mit Kennzahlen entwickeln sollte, war der einzige Satz meines Chefs “Mach einfach mal.” Und so wurde ich erfinderisch und übersetzte mein Bauchgefühl in Strategien, die sich letzten Endes als gut erwiesen.

Als ich schließlich Leiterin eines Community-Teams wurde, musste ich die meisten meiner Mitarbeiter selbst ausbilden, denn erfahrene Community Manager sind auf dem deutschen Markt Mangelware. Da ich gerne andere unterstütze, bin ich aktives Mitglied in Communities zum Austausch für Community Manager.

Ich habe auch Stammtische für Community Manager in Leipzig und Berlin organisiert. Dieses Engagement sorgte letzten Endes dafür, dass Facebook mich im Februar 2018 als Expertin für einen Community Engagement-Workshop zum Facebook Communities Summit Europe in London engagierte.

Was bedeutet Community Management für dich?

Die Basis für eine funktionierende Community sind gute Beziehungen zwischen den Mitgliedern. Ein Community Manager ist am Anfang die wichtigste Bezugsperson für die Mitglieder und sollte dementsprechend offen und interessiert an den Menschen sein. Mit der Zeit tritt der/die Community Manager/in immer mehr in den Hintergrund und übernimmt die Aufgabe des Vernetzens.

Um die Mitglieder gut untereinander vernetzen zu können, muss man sie jeweils selbst gut kennen. Daher rate ich jeder Person, die mit dem Aufbau einer Community beginnt, sich die Zeit zu nehmen, ihre Mitglieder gut kennenzulernen. Passende Inhalte zu liefern ist auch wichtig, aber wer nur Inhalte liefert und die Menschen damit alleine lässt, ist meiner Meinung nach kein Community Manager.


Wie sehr ist die richtige Zielgruppe der Anfang von gutem Community Management?

Ohne die richtige Zielgruppe kann Community-Aufbau nicht funktionieren. Immerhin ist eine Community reines Mittel zum Zweck, um die Mitglieder zu unterstützen. Von daher sollte das, was die Community bietet, zu den Bedürfnissen der Zielgruppe passen.

Wenn man diese Bedürfnisse noch nicht gut einschätzen kann, weil man die Zielgruppe kaum kennt, heißt es: Fragen stellen.

  • Vor welchen Herausforderungen steht ihr gerade?

  • Was war diese Woche euer größtes Erfolgserlebnis?

  • Welche Themen wünscht ihr euch inhaltlich in der Community?

Ich beginne den Aufbau meiner Communities immer mit vielen Frage-Impulsen, dadurch lerne nicht nur ich meine Mitglieder besser kennen, sondern auch sie sich gegenseitig.

Vielfach besteht die Meinung, dass möglichst viele Follower eine tolle Community bedeuten. Ist aus deiner Sicht jeder Follower ein guter Follower?

Eine tolle Community bedeutet vor allem viel Interaktion zwischen den Mitgliedern, völlig unabhängig von der Anzahl der Follower. Ich gehe sogar so weit, dass ich meinen Kunden dazu rate, nicht jede/n in ihre Community zu lassen.

Ein guter Follower ist eine Person, die sich bewusst für die Teilnahme in der Community entschieden hat. Wenn sie zunächst ein paar Fragen beantworten oder ein paar Tage warten musste, um Teil der Community zu werden, erhöht das die Wertigkeit der Mitgliedschaft. Und es steigert die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Mitglied sich aktiv einbringen wird.


Du hast das CHAI-Modell für Community-Management erschaffen? Was bedeutet es?

Das CHAI-Modell beantwortet die ewige Frage nach den passenden Inhalten für die Community. Die vier Buchstaben stehen für vier verschiedene Aspekte, die in jeder aktiven Community zu finden sind:

  • C wie “Creativity” steht für Spaß, Spiel und Unterhaltung.

  • H wie “Hilfe” steht für hilfreiche Inhalte, beantwortete Fragen, Tricks und Tipps.

  • A wie “Affirmation” steht für Inhalte, die Mut machen, die den Mitgliedern zeigen, dass sie mit ihrer Geschichte nicht alleine sind.

  • Und zu guter letzt “I” steht für Inspiration und damit für Inhalte, die den Mitgliedern neue Möglichkeiten aufzeigen.

Bei der inhaltlichen Planung für die Community sollte von jedem dieser Aspekte etwas enthalten sein. Denn auch eine Community für Tipps rund um Aquaristik braucht hin und wieder einen kleinen Scherz, um den Mitgliedern die Möglichkeit zum ungezwungenen Kennenlernen zu geben. Wie sehr die einzelnen Aspekte in der inhaltlichen Gestaltung priorisiert werden sollten, hängt vom Ziel der Community ab. Eine Community für Lehrkräfte legt ihren Fokus eher auf den Aspekt der Inspiration und Hilfe. Spaß und Unterhaltung ist hier zweitrangig, sollte aber dennoch nicht ganz vernachlässigt werden.

Wie sieht gutes Community Management auf Social Media aus? Beschränkt es sich nur auf Gruppen?

Gutes Community Management ist für mich unabhängig von der Plattform. Solange sie mir ermöglicht, die Mitglieder miteinander zu vernetzen und ihnen einen sicheren Rahmen für den Austausch zu bieten.

Deswegen bin ich eher skeptisch, was instagram und Twitter angeht, denn dort kann jeder mitmischen und das finde ich besonders bei sensiblen Themen sehr bedenklich. Facebook Gruppen haben den Vorteil, dass sie auf privat gestellt werden können. So kann ich als Community Manager auswählen, wer Teil meiner Community sein darf und meinen Mitgliedern einen sicheren Rahmen bieten.


Was sollte ich mir als Buchautor überlegen, wenn ich eine Gruppe plane?

Wer sind meine Leser und finde ich diese auf Facebook? Wenn ich Sachbuchautor bin, könnte eine Gruppe auf Xing oder Linkedin mehr Sinn machen als auf Facebook.

Die nächste Frage ist dann: Wie finden mich meine Mitglieder? Auf Facebook ist es heute wesentlich schwieriger eine Gruppe aufzubauen als noch vor 5 Jahren. Als Community Manager muss man selbst sehr gut vernetzt sein, um die notwendige Sichtbarkeit zu erlangen, die man für das Wachstum der eigenen Gruppe braucht. Die eigene Facebook-Seite oder das eigene Profil - falls man keine Seite hat - sollte so gestaltet sein, dass die Gruppe darüber leicht zu finden ist. Ich empfehle hier ein entsprechendes Titelbild zu gestalten, das die Gruppe bewirbt und in der Bildbeschreibung dorthin verlinkt.

Eine weitere wichtige Überlegung ist das Ziel der Gruppe. Was soll die Mitgliedschaft in dieser Gruppe den Mitgliedern bringen? Was soll die Existenz der Gruppe dem Community Manager bringen? Inspiration für das nächste Buch? Für die Mitglieder die Möglichkeit, das Buch mitzugestalten? Sinn und Zweck der Community sollte allen Mitgliedern klar und gut kommuniziert sein. Wer die Möglichkeit hat, startet eine Community als gemeinschaftliches Projekt mit den Mitgliedern und lässt sie über deren Zielsetzung mitentscheiden. So ist hohes Engagement der Mitglieder umso wahrscheinlicher.

Ist Community Management auch für Newsletter wichtig? Viele Autoren sind über hohe Absprung-Raten enttäuscht. Was können sie aus deiner Sicht besser machen?

Wenn ein Newsletter lediglich informieren möchte, ist das völlig in Ordnung und da braucht es auch kein Community Management. Wer sich jedoch dazu entscheidet, mit den Lesern in den Dialog zu gehen, sollte sich bewusst sein, dass Antworten kommen könnten. Und die wollen beantwortet werden. Nichts ist enttäuschender für ein engagiertes Mitglied, welches sich die Zeit für einen Kommentar nimmt, als Schweigen und Desinteresse.

Ich finde wöchentliche Newsletter charmant, die Aspekte aus dem Alltagsleben des Verfassers/der Verfasserin aufgreifen und mit einer Frage in die Runde enden. Wenn sich der Verfasser/die Verfasserin beispielsweise in letzter Zeit viele Gedanken um die vegane Ernährung gemacht hat, könnte der Newsletter damit enden, dass gefragt wird “Ernährst du dich vegan? Wie kam es dazu?” Die Antworten und die darin enthaltenen Erkenntnisse können dann in der darauffolgenden Woche in den nächsten Newsletter mit eingeflochten werden. So entsteht ein fortlaufender Dialog und bei den Lesern das Gefühl, teilzuhaben.

Was sind Fehler, die du oft im Community Management siehst?

Generell werden zu wenig Fragen gestellt. Viele kopieren witzige oder geistreiche Beiträge, die sie auf Social Media aufgeschnappt haben. Inspirierende Zitate sind hierfür ein gutes Beispiel. Diese sind nicht generell verkehrt, sie müssen aber zu den Bedürfnissen der Mitglieder passen und einen entsprechenden Austausch einleiten.

Wenn dann Fragen gestellt werden und Antworten kommen, wird oft nicht genug getan, um den Dialog weiter voranzutreiben. Das größte Geschenk, was ein Follower mir machen kann, ist mir seine/ihre Zeit und Aufmerksamkeit für einen Kommentar zu schenken. Darauf sollte ich unbedingt reagieren!

Dann gibt es noch Community Manager, die alles kontrollieren wollen. Die überall sofort die erste Antwort geben und einen mehrseitigen Regelkatalog für das Miteinander in ihrer Community aufstellen. Entweder ich will meinen Mitgliedern Raum zum Austausch geben, dann muss ihnen den auch lassen. Oder ich will einfach nur eine Bühne, auf der mich andere bewundern sollen. Das ist auch in Ordnung, aber dann sollte ich es nicht “Community” nennen.

Woran merkt man, dass man es richtig macht?

Ein/e Community Manager/in, der/die ihre Sache richtig macht, wird irgendwann überflüssig sein. Weil die Community sich selbst reguliert und ein lebendiger, sich entwickelnder Organismus geworden ist. Je mehr ohne mein Zutun in der Community passiert, desto besser mache ich meinen Job. Vorausgesetzt natürlich, die Aktivität in der Community entspricht deren Zielsetzung.

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