Meine besten Tipps für tolle Romane

Meine Gesprächspartnerin: Yvonne Kraus von MyNextSelf

 
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Stelle dich doch bitte kurz vor und was du mit MyNextSelf machst.

Ich bin Yvonne und ich biete mit MyNextSelf eine Website für Schreibinteressierte an. Dort gebe ich regelmäßig Tipps zu kreativem Schreiben, Selfpublishing und Mindset-Themen. Da ich unter anderem Bildungswissenschaftlerin bin, macht es mir besonderen Spaß, Wissen zu vermitteln und Menschen zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen.


Du zeigst anderen Menschen, wie man Romane entwickelt. Gibt es ein Grundrezept zum Erfolg als Romanautor?

Grundsätzlich ist es für Erfolg wichtig, dass man bei sich selbst bleibt, den eigenen Weg geht und auf die eigene Intuition hört. Fähigkeiten, die man auf diesem Weg braucht, kann man lernen.

Für den Erfolg als Romanautor*in sind das nicht nur Fähigkeiten im Schreiben. Es gehört so viel mehr dazu, das eigene Buch erfolgreich zu veröffentlichen, als “nur” einen richtig guten Text zu schreiben. Wichtig ist, nicht nach dem Schreiben aufzuhören, sondern sich auch mit den Dingen zu beschäftigen, die außerhalb der eigenen Komfortzone liegen.


Stichwort Figuren entwickeln – wie erschafft man lebensechte Figuren?

Figuren sollten nie nur eine Seite haben, also nie komplett gut oder komplett schlecht sein. Die Protagonistin braucht auch ihre Schattenseiten, der Antagonist auch ein paar gute Charakterzüge.

Außerdem sollten alle Figuren nachvollziehbare Motive haben.

Zu richtig guten Figuren können Leser*innen eine emotionale Bindung herstellen. Als Autorin kann ich darauf Einfluss nehmen, indem ich die Figur Emotionen erleben lasse, mit denen man sich beim Lesen identifizieren kann. Spannenderweise ist das bei weniger schönen Emotionen einfacher. Wenn die Hauptfigur in der ersten Szene gekündigt wird, entsteht schneller eine emotionale Bindung, als wenn sie eine Beförderung, eine Gehaltserhöhung und einen Firmenwagen bekommt.

Und ganz wichtig: Figuren sind genauso wenig statisch wie echte Menschen. Sie entwickeln sich im Laufe der Handlung, lernen dazu und würden auf der letzten Seite wahrscheinlich anders handeln als auf der ersten.


Welche Überlegungen und Elemente braucht es, um eine interessante Handlung zu entwickeln?

Die Handlung einer Geschichte ist ein Weg, von dem man nur die Stationen sieht, an denen etwas Entscheidendes passiert. Diese Stationen sollten aufeinander aufbauen, und zwar sowohl logisch als auch spannungstechnisch. Als Leserin möchte ich bei jedem einzelnen Schritt das Gefühl haben, dass er sich aus dem vorherigen ergibt. Und dass sich die Spannung noch gesteigert hat. (Das gilt übrigens für alle Genres. Auch ein Liebesroman sollte spannend sein. Man fiebert dort mit, ob zwei Menschen zueinander finden.)

Eine interessante Handlung wirft permanent Fragen auf – und beantwortet gleichzeitig welche, die vorher gestellt wurden. Das fängt schon beim ersten Satz an. Ein richtig guter erster Satz sorgt dafür, dass ich als Leserin sofort Fragen habe, die mich dazu bringen, weiterlesen zu wollen.


Show Don't Tell ist beim Romanschreiben ein wichtiges Prinzip. Was bedeutet es?

Kannst du ein gutes und schlechtes Beispiel geben?

Show Don’t Tell bedeutet, dass ich Eigenschaften und Entwicklungen nicht direkt beim Namen nenne, sondern sie beobachtend beschreibe – und es meinen Leser*innen überlasse, zu entschlüsseln, was ich meine. Das Erzählen einer Geschichte ist also immer Show Don’t Tell. Ich sage nicht einfach, was passiert ist, sondern erzähle Schritt für Schritt, was man von außen beobachten kann. Als Autor*in nimmt man die Rolle einer Kamera ein und beschreibt relativ neutral, was zu sehen ist. “Relativ”, weil ich schon durch die Position der Kamera meine Neutralität aufgebe.


In der Schule haben wir verlernt, Show Don’t Tell anzuwenden, weil wir vor allem Sachtexte geschrieben haben. In Sachtexten muss man die Dinge beim Namen nennen, um Missverständnisse zu vermeiden.

Viele Autor*innen übernehmen diesen Stil in ihren Romanen und schreiben Sätze wie: “Sie öffnete die Tür und versuchte, dabei kein Geräusch zu machen.” Das kann man verstehen, aber es löst emotional überhaupt nichts aus. Meinen Kund*innen gegenüber nenne ich solche Sätze “in your face”, denn sie erlauben es Leser*innen nicht, selbst über die Situation nachzudenken. Sie liefern alle Informationen, und das sehr plakativ. Dadurch entsteht Distanz, weil man gar nicht in die Situation eintauchen muss, um sie zu verstehen.

Wenn ich stattdessen schreibe: “Sie stand ganz still und hielt den Atem an. Dann drückte sie die Klinke Millimeter für Millimeter herunter und zog sie schließlich langsam zu sich heran”, erwähne ich nicht mal, dass das Ganze passiert, um möglichst kein Geräusch zu machen. Ich beschreibe nur, was man sehen kann. Und überlasse die Interpretation den Leser*innen. Das macht einen Text spannender, weil ja zu den beschriebenen Ereignissen auch noch die Frage kommt, ob die eigene Interpretation richtig war.


Aus meiner Sicht ist es für das Marketing wichtig, dass die Autoren in einem Genre schreiben und nicht zu viele Dinge auf einmal wollen. Was denkst du darüber?


Genres sind gerade für Anfänger*innen wichtig, weil sie dabei helfen, Erwartungen zu verstehen und zu erfüllen. Beim Buchmarketing helfen sie auch enorm. Anhand des Genres können Leser*innen entscheiden, ob ein Buch etwas für sie ist.

Wenn ich als Autor*in grundsätzlich in einem Genre schreibe, kann ich mir eine entsprechende Marke aufbauen. Die erfolgreichsten Schriftsteller*innen haben das gemacht. Stephen King steht für Horror, Dan Brown für Thriller, Tolkien für Fantasy.

Der Weg in ein neues Genre ist oft entsprechend schwierig. Wenn Stephen King sich überlegen würde, die Great American Novel zu schreiben, würden sowohl Leser*innen als auch die Literaturkritik ihm das wahrscheinlich nicht abnehmen. Joanne K. Rowling hat daher ihren ersten Krimi unter Pseudonym veröffentlicht.

Mittlerweile gibt es jedoch Tendenzen, dass es nicht unbedingt erforderlich ist, sich dauerhaft auf ein Genre festzulegen. Stephen Chbosky ist nach einem Entwicklungsroman ins Horror-Genre gewechselt und ist auch damit erfolgreich. Es ist nur ungleich schwerer, als in einem Genre zu bleiben und sich dort einen Namen zu machen.


Was sind 3 typische Anfänger-Fehler, die du beim Schreiben von Romanen siehst?


Manche Autor*innen vergessen, wie wichtig das Lesen ist. Wenn man schreibt, kann man aus wirklich jedem Buch etwas lernen. Es ist sinnvoll, auch Bücher zu lesen, die nicht dem ähneln, was man selbst schreiben will. Und dabei die “Autor*innenbrille” aufzusetzen – also nicht einfach einen spannenden Roman zu konsumieren, sondern zu schauen: Was löst das bei mir aus? Warum funktioniert das? Was spricht mich an? Was nicht? Und warum nicht?

Ein weiterer Fehler ist, dass viele Autor*innen zu lange warten, bis sie ihre Texte anderen Menschen zeigen. Der Grund ist natürlich die Angst vor Ablehnung. Dabei ist das Zeigen von Texten einer der wichtigsten Schritte, um besser zu werden. In meiner Facebook-Gruppe habe ich zum Beispiel gerade eine Kurzgeschichten-Challenge durchgeführt. Innerhalb von 3 Tagen hat jede*r 3 Geschichten geschrieben und dafür wertschätzendes und wertvolles Feedback erhalten. Alle hatten Spaß und haben sich weiterentwickelt. Nur so können wir lernen. Und mit jedem Mal wird es leichter.

Was ich bei Anfänger*innen auch häufig sehe, ist die Angst vorm Auslassen. Dabei reicht es oft, Dinge anzudeuten oder zu skizzieren. Ich muss nur dann erzählen, dass meine Hauptfigur sich die Schuhe bindet, wenn das für ihren Charakter oder für die Geschichte von Bedeutung ist. Ansonsten kann ich es getrost weglassen.


Würdest du einem Anfänger raten, ein in sich geschlossenes Buch zu schreiben oder kann man auch gleich mit einer Reihe loslegen?


Ich rate Anfänger*innen, mit Kurzgeschichten zu beginnen, so wie man im Sport auch mit kleineren Trainingseinheiten beginnt.

Das hat viele Vorteile: Ich kann die gesamte Handlung überblicken, es gibt nur wenige Figuren, auf die ich mich konzentriere, und man hat sehr schnell ein Erfolgserlebnis.

Eine Reihe ist das komplette Gegenteil davon. Es gibt zahlreiche Figuren, die Handlungsstränge sind vielfältig und komplex. Ich sehe vor allem bei Fantasy-Autor*innen, dass sie am liebsten direkt mit einer Reihe starten wollen, weil sie selbst sehr gerne Reihen lesen. Und natürlich hat man in einer Reihe viel mehr Möglichkeiten, Handlungen und Figuren zu entwickeln. Wenn es das ist, was jemand unbedingt möchte: Go for it!

Noch wichtiger als alle guten Tipps ist, dass man für das brennt, was man tut. Man sollte sich nur klar machen, dass eine Reihe ein sehr großes und anspruchsvolles Projekt ist. Und dass es immer ein gewisses Risiko birgt, wenn man ohne Training einen Marathon laufen will.


Jedes Jahr ruft die internationale Buchcommunity das NaNoWri-Monat aus. Bitte erkläre, was das ist und warum es für Romanautoren ein wichtiges Event ist.


NaNoWriMo steht für National Novel Writing Month und findet seit 1999 jedes Jahr im November statt.

Ziel ist es, innerhalb von 30 Tagen einen Romanentwurf von mindestens 50.000 Wörtern Länge zu schreiben. Mittlerweile schreiben international viele Menschen mit. Es ist wahnsinnig motivierend, wenn zeitgleich viele Tausende Menschen an einem Roman arbeiten.

Für alle, die sich schwer mit Projekten ohne Deadline tun, bietet der NaNoWriMo außerdem einen Anreiz, endlich den Roman abzuschließen.


Welche Angebote hast du für Romanautoren?

Aus meiner Arbeit mit vielen unterschiedlichen Autor*innen habe ich einen Schreibtypentest entwickelt, dessen Ergebnisse dabei helfen, eigene Hürden beim Schreiben zu entdecken und sich dafür gezielt Unterstützung zu suchen.

Als Schreibcoach konzentriere ich mich auf Menschen, die “nebenher” schreiben, die also einen Beruf, eine Familie, viele Verpflichtungen haben, ihren Traum vom eigenen Roman aber nicht aufgeben wollen.

Ich begleite meine Kund*innen im Coaching und Mentoring bei allen Schritten im Schreibprozess und in dem Umfang, den sie sich wünschen. Für mich zählt Mindset-Arbeit dabei immer dazu.

Daneben entwickle ich gerade eine Online-Romanwerkstatt, die ein ganzes Jahr laufen wird und die im Januar startet.

Da meiner Meinung nach nichts über regelmäßiges Schreiben geht, habe ich außerdem gerade einen Schreib-Club gegründet, den MyNextSelf-After-Work-Writer’s-Club (oder MAWW-Club). Hier stelle ich jeden Freitag um 17 Uhr ein schreibrelevantes Thema vor und wir arbeiten in der Gruppe gemeinsam an Texten. Ziel ist es, dass man in jedem Workshop ein bisschen Schreibtheorie lernt und mit einem konkreten Ergebnis ins wohlverdiente Wochenende startet.

Außerdem biete ich Selbstlern-Unterlagen für all diejenigen an, die lieber auf eigene Faust schreiben möchten.

Vielen Dank für deine Zeit!

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